Home


Model European Parliament
Deutsches Komitee e.V.

Aktuelles Informationen Kontakt Medien

Partner:

Neuigkeiten

-

05.05.2011 – International MEP Tallinn 2011

Nach langer Vorbereitung auf MEP-die Woche und vielen E-mails zu organisatorischen Details war es dann endlich soweit. Am 3.April morgens um 8:00 Uhr ging es los nach Tallinn.
Die deutsche Delegation bestand aus einer Bremerin, einem Potsdamer, einem Saarländer und mit Gabriel von Graefe, Paul Voges, dem Lehrer Bernd Evers und mir aus vier Christianeern.
Nachdem wir nach einer langen Reise angekommen waren und unsere Quartiere in der Jugendherberge bezogen hatten, begannen wir die Stadt zu erkunden. Tallinn ist die Hauptstadt von Estland und hat ca.400.000 Einwohner. Tallinns Herzstück ist die schöne Altstadt mit sehr vielen traditionellen Häusern aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.
Die Stadt um den Altstadtkern herum ist zu einem großen Teil durch die Plattenbausiedlungen aus der Sowjetzeit verschandelt worden und daher nicht sehr sehenswert. Da wir sehr nahe an der Altstadt gelegen wohnten, konnten wir alles zu Fuß in kurzer Zeit erreichen.
So verstrich der Sonntagnachmittag im erkunden der Stadt und Bekanntschaften schließen mit den Mitstreitern aus anderen Ländern Europas. Dies ist, um den Reiseablauf kurz zu unterbrechen, eine der bemerkenswertesten Eigenschaft, die ein internationales MEP mit sich bringt: Die Völkerverständigung. Ob in den Ausschussitzungen, oder während der Freizeit, jeder geht auf den anderen zu und man ist überall freundlich zueinander, sodass man nicht mehr zu einem einzelnen Land oder einer Kultur zählt,sondern in dieser Woche ist man einfach nur Europäer. Es ist als ob sich alle schon seit Jahren kennen. Dies ist etwas, was das Modell Europa Parlament zu einem solch einzigartigen Ereignis macht.
Am Montag wurden wir in unsere einzelnen Ausschüsse eingeteilt und wir verbrachten den Vormittag mit gegenseitigem kennenlernen und beim Erkunden der Stadt. Am Nachmittag folgte dann die mit Spannung erwartete erste Ausschussitzung. Mein Thema war, wie die EU Alkohol- und Drogenmissbrauch, sowie Jugendübergewicht eindämmen könnte. Aus einem scheinbar langweiligen Thema wurde, je mehr ich mich im Vorfeld des MEPs damit beschäftigte ein Thema mit sehr vielen interessanten Facetten, wie z.B. der Eindämmung von Alkohol- und Zigarettenwerbung oder wie die Wirtschaft mit der Politik am besten zusammenarbeiten könnte.
Das spannende und bemerkenswerte an diesen Ausschussitzungen ist, dass dort das Grundprinzip der Demokratie immer wieder zum tragen kommt: Die Kompromissfindung.
In den Sitzungen treffen den gesamten Tag unterschiedliche Meinungen aufeinander. Aus diesen Meinungen müssen Lösungen für die Probleme des Themas gefunden werden, die Kompromisse erfordern. Somit wird das Grundprinzip der Demokratie den Delegierten aktiv vermittelt.
Nach einem langen Tag der Ausschussitzungen, ging es los die Altstadt Tallinns zu erkunden. In den vielen Bars der Altstadt konnte man mit den neuen Freunden aus anderen Ländern sehr viel Spaß haben, was neben der intensiven Arbeit tagsüber den nötigen Spaßfaktor brachte.
Am Dienstagvormittag wurde in einem historischen Haus der Altstadt Tallinns die Länder der einzelnen Delegationen in Form von launischen Vorträgen vorgestellt. Besonders die Iren brillierten mit der Vorstellung eines klassischen Volkstanzes.
Wie bereits am Montag wurde der Nachmittag dann mit Ausschussitzungen verbracht. Wir als Committee on Education hatten unseren Sitzungsraum im Ministerium für Agrarpolitik, welches uns hervorragend betreute.
Im Anschluss daran hatten wir dann wieder einen freien Abend, den wir als deutsche Delegation gemeinsam verbrachten.
Am Mittwoch war unser letzter Tag der Ausschussitzungen, sodass wir am Mittag unsere Arbeit an der Resolution beendet hatten. Am Ende standen Klauseln, wie z.B. das Verbot für Lehrer in den Schulgebäuden zu rauchen, oder etwa eine Begrenzung der Werbung für Alkohol- und Tabakunternehmen.
Darüberhinaus besprachen wir den Ablauf der General Assembley (GA) bei der die einzelnen Resolutionen im Plenum besprochen werden:
Zunächst wird die Resolution vorgelesen, danach folgt eine Eröffnungsrede eines Delegierten aus dem Ausschuss. Darauf folgt eine Fragenrunde aus dem Plenum, die sich ausschließlich auf Definitionen von Wörtern oder Unklarheiten der Resolution beziehen, gefolgt von einer offenen Debatte, bei der Delegierte die Resolution hinterfragen. Stets haben die Delegierten auf diese Fragen direkt zu antworten. Nachdem die offene Debatte vom Präsidenten beendet worden ist folgt eine Rede gegen die Resolution. Auf die reagiert ein Vertreter des Ausschusses mit der finalen Rede. Dann gibt es die Abstimmung über die Resolution.
Am Mittwochnachmittag wurde dann in dem Ausschuss entschieden, wer die Reden halten sollte. Ich wurde mit der finalen Rede betraut, was mich sehr freute.
Nachdem wir Donnerstag einen weitestgehend freien Tag hatten, bei dem wir in der Delegation die Resolutionen gelesen hatten, trafen wir einen Münchner mit dem wir den Abend sehr nett verbrachten.
Am Freitag folgte dann ein ganzer Tag GA, bei dem eine ganze Reihe von Resolutionen nach immer wieder dem selben obenbeschriebenen Schema besprochen wurde, was zwar sehr interessant war, aber auf die Dauer sehr anstregend ist.
Den Abend verbrachte ich dann in der Jugendherberge, um meine Rede vorzubereiteten.
Besprechung der Resolution im Estnischen Parlament
Glücklicherweise konnte ich dies mit einigen anderen aus unserer Delegation machen, da diese auch für eine Rede nominiert worden waren.
Nach langem warten am Samstag war es dann endlich soweit und ich hielt meine Rede.
Die Resolution wurde mit knappem Ergebnis von sieben Stimmen Vorsprung angenommen, was unseren gesamten Ausschuss überglücklich machte.
Am Ende das Tages waren alle froh und freuten sich auf den letzten Abend des Modell Europa Parlamentes in Tallinn.
Dieser wurde die ganze Nacht in der Altstadt verbracht und alle hatten sehr viel Spaß.
Am Sonntag musste dann, zum Leidwesen aller, die Heimreise angetreten werden und Tallinn hinter sich gelassen werden.
Am Ende dieser Woche steht eine Reise mit vielen Erfahrungen, neuen Bekanntschaften, tollen Erinnerungen und besonders viel Spaß. Ich bin mir sicher, niemand wird diese Woche so schnell wieder vergessen. Es ist etwas tolles zu wissen, das man Bekannte überall in Europa hat, die man jederzeit besuchen könnte.
Das Modell Europa Parlament ist eine Erfahrung die für jeden Jugendlichen gut ist, egal ob er an Politik interessiert ist oder nicht. Also wenn Ihr die Möglichkeit habt zu einem Modell Europa Parlament zu fahren, macht es. Ihr werdet es nicht bereuen.
Einen herzlichen Dank nochmal an Herrn Evers, der uns hervorragend in Tallinn betreut hat und mit dem wir sehr viel Spaß hatten.

von Moritz Lütgerath

  • 09.03.2011 – Das MEP 2011: Mitwirkung mit Wirkung
    8__1299674723.jpgEuropa auf Probe?
    „Wir brauchen eine Harmonisierung der Steuerpolitik in der EU“, darin sind sich die achtzehn Mitglieder des Ausschusses für Wirtschaft und Finanzen sicher. Nur so könne der Euro langfristig gesichert und regionale Verwerfungen vermieden werden. Und auch viele der übrigen 140 Abgeordneten im Plenum schließen sich dieser Meinung an, denn die Resolution erhält eine knappe Mehrheit, die Rettung des Euro liegt den Jungparlamentariern offenbar am Herzen.

In der vorangegangenen Debatte schenken sich die Abgeordneten aus fast allen EU-Ländern nichts. Der Abstimmungserfolg ist hart umkämpft, so wie bei allen acht Resolutionen, die in den zwei Tagen Plenardebatte im Bundesrat zur Abstimmung stehen. Dabei geht es um wichtige Forderungen: Wollen wir eine fünfjährige Probezeit bei der EU Mitgliedschaft von neu beigetretenen Ländern einführen? Brauchen wir eine verstärkte Abgabe von nationaler Souveränität an die EU, um den Euro zu stabilisieren? Soll es eine EU-weite Kindergartenpflicht geben, um die Bildungschancen für alle zu erhöhen?

4:4
„Ein Nein ist leichter als ein Ja! Denn um ein Ja muss man in der Politik wirklich hart kämpfen.“ Mit diesen Worten hatte der stellvertretende Regierungssprecher Steegmans die Sitzungswoche im Bundespresseamt eröffnet, wohlwissend, dass es für alle Schülerinnen und Schüler trotz Kreativität, Ehrgeiz und Elan schwierig werden wird, Mehrheiten für die Lösungsvorschläge zu gewinnen. Und er hatte Recht behalten. Denn am Ende heißt es unentschieden: vier Resolutionen werden angenommen und vier abgelehnt.

Mehr als eine Simulation
Aber darauf kommt es am Ende gar nicht so sehr an. Denn das MEP bietet Jugendlichen die einzigartige Gelegenheit, sich mit den Entscheidungswegen in der EU vertraut zu machen. Bei der realitätsgetreuen Simulation sind die Teilnehmer gefordert, Durchsetzungsvermögen, Überzeugungskraft und besonders Kompromissbereitschaft zu erlernen und anzuwenden. Auch die üblichen Formalien müssen beachtet werden; sei es die korrekte Kleidung oder das Siezen in offiziellen Diskussionen. Auch hat jede Rede vor dem Plenum mit dem Dank zur Worterteilung an den Präsidenten zu beginnen.

Im Fischglas mit einer Europäerin
Die zweitägige Plenarsitzung der jungen „EU-Parlamentarier“ ist der Höhepunkt des MEP. Aber die Woche ist voll von Höhepunkten; Die Arbeit in den Ausschüssen, der Besuch des Reichstagsgebäudes, die Präsentationen im Bundespresseamt sowie die Fishbowldiskussion mit der grünen Europaabgeordneten Franziska Keller. Sie stellte sich am Ende der Woche den Fragen der Jugendlichen, wobei sie aber auch nicht für alle Herausforderungen eine optimale Lösung anbieten konnte. Aber gerade das machte sie in den Augen der Jugendlichen sympathisch und ehrlich.

Von Schülern für Schüler
Schülerinnen und Schüler lernen von bereits erfahrenen „MEPlern“. Die Vorbereitung in den Schulen, die Leitung der Ausschüsse während der Simulation und die Präsidiumsarbeit werden von Schülern für Schüler gemacht. Lehrkräfte betreuen das Programm und helfen bei schwierigen Fragen.

„Ich glaube, dass man so viel mehr lernt als in der Schule“, sagte Peter Hütte vom Helmholtz-Gymnasium Potsdam, der schon zum dritten Mal an einem MEP teilnimmt, diesmal in der Rolle eines Ausschussvorsitzenden. Er gibt dabei sein Wissen an die jüngeren Teilnehmer weiter.

„Das MEP ist eine tolle Möglichkeit einmal hinter die Kulissen zu schauen und zu sehen, was man nicht täglich in der Tagesschau sieht“, erklärte Carla Steinbrecher, Schülerin von der Edith Stein Schule Erfurt, ihre Motivation, zum ersten Mal am MEP teilzunehmen.

Spaß an der Politik
Für die Schülerinnen und Schüler bedeutet die Parlamentssimulation weitaus mehr als eine Woche schulfrei und ein Ausflug nach Berlin. „Das MEP ist harte Arbeit, da werden oft nicht vor drei Uhr nachts die Rechner ausgeschaltet, bis die letzten Resolutionen in den Ausschüssen geschrieben sind“, so Heike Lemke-Wegener, betreuende Lehrerin aus Berlin und verantwortlich für die Vorbereitung des zwölften MEP.

„Ich möchte einen Einblick in politische Abläufe bekommen, weil ich mir vorstellen kann, selbst einmal in die Politik zu gehen“, erklärte Laura Skende, Schülerin aus Ungarn, was sie aus dem MEP mitnehmen möchte. „Und außerdem ist es natürlich toll, andere Schülerinnen und Schüler aus ganz Deutschland kennen zu lernen“, fügte sie lächelnd hinzu.

Der MEP ist nur der Anfang
In der Abschlussrede machte der Präsident des MEP, Luca Miehe aus Bremen, klar, dass diese Woche bei den Schülerinnen und Schülern eine wichtige Basis für die Herausbildung eines politischen Bewusstseins gelegt habe. Wenn man aber wirklich etwas verändern wolle, dann führe an politischem oder gesellschaftlichem Engagement kein Weg vorbei.

Warum es für die Schüler so wichtig ist, gerade Europapolitik besser kennen zu lernen, kann Änne von Bülow anschaulich machen. „Europa wird oft als Raumschiff wahrgenommen, ohne Verbindung zur realen Welt. Aber Europa ist unsere Realität. Ohne Bindung zwischen Brüssel und den Europäern kann es auch keine echte Demokratie in der EU geben. Daher brauchen wir die direkte Verbindung zwischen Europapolitik und den Bürgern“.

Mitwirkung mit Wirkung
„Die gefassten Resolutionen fließen in diesem Jahr erstmals auch tatsächlich in den europäischen Politikprozess ein“, erläutert Christopher Lucht von der Agentur „Perspektive Europa“, der den Projektantrag bei der EU gestellt hat.“ Wir werden die Ergebnisse dem EU-Programm „Jugend für Europa“ übergeben, dort werden sie ausgewertet und an Entscheidungsträger in der EU-Kommission weitergeleitet“. Damit geht das MEP über eine reine Simulation hinaus und wird zum Instrument im Dialog zwischen jungen Menschen und der Kommission bei der Gestaltung der europäischen (Jugend-)Politik.

Internationale Perspektive
Das Modell Europa Parlament ist nicht auf Deutschland beschränkt, sondern findet mit gleicher Struktur in vielen anderen EU-Ländern statt. Zweimal jährlich werden zudem internationale MEP-Tagungen durchgeführt. 20 Teilnehmer, die sich bei der Berliner Sitzung besonders verdient gemacht haben, werden in Kürze für die Teilnahme an der nächsten internationalen Frühjahrsitzung nominiert.

von Christopher Lucht

  • 06.03.2011 – Senf, Gurken, Salat – Wovon im Fischglas die Rede ist
    7__1299422410.jpgAn ihren Gesichtszügen konnte man es erkennen. Die Plakat-Aktion des MEP-Plenums zur ihrer Begrüßung hat ihr offenbar doch gefallen. Das breite Lächeln beweist es, auch-wenn sie es anschließend nicht wirklich zugeben will. Die Plakate, die von allen Delegierten in die Höhe gehalten werden, sind, so Franziska Keller (genannt Ska), zwar authentisch, das richte Europaparlaments-Gefühl sei das jetzt doch noch nicht, denn in Straßburg sei es immer nur die Fraktion der Grünen, die mit solchen Aktionen für Aufsehen sorge.

Dabei hatten sich alle doch wirklich Mühe gegeben, um ein Hauch Europaparlament in den Bundesrat zu bringen, damit sich die Europaabgeordnete aus Brandenburg wie „zu Hause“ fühlt. Die Ausschussvorsitzenden hatten ihre mehrseitigen Resolutionen in ein bis zwei Worte zusammengefasst und dieses Schlagwort dann auf ein Plakat gedruckt.

Für die Moderatorin Laura Selke bot die Aktion aber ein gute Gelegenheit für einen thematischen Einstieg – ging es doch zu Beginn um die konkrete Arbeit von Ska Keller im echten Europaparlament. Es gibt schon deutliche Unterschiede zwischen dem echten .und dem simuliert Parlament. So etwas die Sitzordnung nach Fraktionen und nicht nach Nationen. Und auch die Gliederung der Resolutionen in OC´s und IC´s gebe es so nicht. Resolutionen hätten außerdem keine Rechtsverbindlichkeit. Sie seien nur politische Meinungsäußerungen des Parlaments. Das wichtigste politische Instrument des EP sei der Änderungsantrag im normalen Gesetzgebungsverfahren, bei dem ohne die Zustimmung des EP nichts laufe.

Auch die Nachfrage, ob sie denn nicht die Interessen Deutschlands vertrete, bot ihr die Gelegenheit, ein Missverständnis aufzuklären. Die politische Ausrichtung in Sozialdemokraten, Christdemokraten und Grüne sei auch im Europaparlament wichtiger als die nationale Bindung.

Nach dieser anschaulichen Einblick in die praktische Arbeit einer Europaabgeordneten wurde die eigentliche Fishbowl-Diskussion eröffnet. Zunächst etwas zögerlich, aber im Laufe der Diskussion immer munterer, sprangen die diskussionsfreudigen Delegierten ins Fischglas hinein und – nach gestellter Frage – wieder heraus. Es entfaltete sich ein Tour de Force Ritt durch die gesamte Palette von aktuellen Themen und Herausforderungen, mit denen zur Zeit Europa aufwarten kann. Es ging um die Grenzeingreiftruppe Frontex, den Beitritt der Türkei zur EU, um den Abbau der Staatsverschuldung und die Abschaffung der Bundeswehr.

Für viele Fragen hatte sie passende Antworten: Sie sei für die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre, gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr und für die Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge. Für viele Fragen gäbe es aber keine einfachen Patentrezepte. Frage: Wie man die Menschen von Europa überzeugen könne? Antwort: Das sei schwierig. Denn auch mit Twitter und Facebook erreiche man nicht jeden. Frage: Wann man in Diktaturen wie Libyen auf der Seite der Reformer eingreifen soll? Antwort. Das komme auf den Einzelfall an. Frage: Wie wir unsere Schulden abbauen können? Antwort: Dazu brauchen wir eine gesellschaftliche Diskussion.

Interessant war gegen Ende der Diskussion die Frage nach dem Ziel der europäischen Einigung. Mehrere Delegierte wollten wissen, ob und wann wir mit den Vereinigten Staaten von Europa rechnen können. Sie selbst stehe voll und ganz hinter dieser Idee. Aber die Bereitschaft bei Regierungen der Einzelstaaten, weitere Souveränitätsrechte an die EU abzugeben, sei zur Zeit sehr begrenzt. Auch wenn die Notwendigkeit offensichtlich sei. Beispielsweise war eigentlich allen Beteiligten klar, dass es der Euro ohne wirtschaftspolitische Koordinierung sehr schwer haben würde. Das habe sich in jetzigen Krise deutlich gezeigt. Jetzt aber hätten wir den Salat – und die Regierungen müssten nur schnell dafür sorgen, dass wir eine europäische Wirtschaftsregierung bekommen, bevor noch schlimmeres passiere.
Apropos Salat. Anhand einiger Formulieren konnte man deutlich erkennen, dass Ska Keller in der Nähe des Spreewaldes aufgewachsen ist. Sie sprach nicht nur von Salat sondern auch von Gurken und Senf. Ihren eigenen wollten wirklich sehr viele Abgeordnete dazu geben. Aber irgendwann waren die 90 Minuten vorbei. In der Verlängerung richtete Ska Keller dann noch einen letzten Appell an die versammelte MEP-Gemeinde 2011.“ Ihr seid die europäische Generation. Ihr werdet irgendwann die Verantwortung tragen, also denkt die europäische Dimension von Politik“.
Die Reaktionen, die ich nach dem Gespräch bei den Delegierten eingefangen habe, waren durchweg positiv. Ska Keller sei sehr authentisch und ehrlich rübergekommen. Gut angekommen ist auch ihre Offenheit. Sie selbst habe Fragen offen gelassen und die Delegierten teilweise in ein richtiges Gespräch verwickelt, indem sie das Frage und Antwortspiel einfach auch mal umdrehte. Außerdem habe sie einige Fehler in den Resolutionen klarstellen können. Und auch die Plakataktion ist – wenigstens bei den Delegierten – auf eine positive Resonanz gestoßen. Na dann hat es sich auf jeden Fall gelohnt.

von Christopher Lucht

  • 06.03.2011 – Rot-Weiss-Grün oder Weiss-Grün-Rot
    6__1299422300.jpgEs ist ein großer Moment, quasi ein kleiner Schritt mit großer Wirkung, der auch entsprechend würdevoll begangen werden muss. Daher hält die Delegation einen kurzen Augenblick inne, bevor sie den Plenarsaal des Bundesrates betritt. Hier werden sie die kommenden zwei Tage insgesamt 10 Stunden lang acht Resolutionen debattieren. Die Resolutionen, die sie vorher in den Landesvertretungen ausgearbeitet haben. Die entscheidenden Fragen, die sich in diesem Moment jeder der 160 Delegierten stellt, lauten: Bekommt meine Resolution die Mehrheit der Stimmen und werde ich dabei eine gute Figur machen.

Aber jetzt geht es erst einmal um eine ganz praktische Frage, nämlich darum, den richtigen Platz zu finden. Die Fahnen, die auf den Tischen stehen, helfen bei der Orientierung. Dumm nur, wenn man sich nicht sicher ist, wie etwa die Bulgarische Fahne genau aussieht. Rot-Weiss-Grün oder doch Weiss-Grün-Rot? Und woran kann man die Slowenische und die Slowakische unterscheiden? Die Organisatoren haben aber auch an diesen Fall gedacht, denn es gibt zum Glück neben den Fahnen auch noch geschriebene Länderschilder. Und das Tollste ist, im Bundesrat ist jede Tischreihe für ein bestimmtes Bundesland vorgesehen. So kann wirklich nichts mehr schief gehen.

Die Nervosität steigt jetzt aber noch einmal deutlich an, denn jetzt wird es richtig feierlich; die Europahymne erklingt und alle Delegierten erheben sich von den Plätzen. Vielleicht denkt der eine oder andere bei der „Ode an die Freude“ daran, dass auf diesen Plätzen gerade einmal vor einer Woche noch die Ministerpräsidenten saßen, um über die Hartz 4 Reform zu streiten. Und gleich sind wir dran, unsere Redekunst unter Beweis zu stellen. Nach der Hymne zeigen aber erst einmal andere, was sie können. Da ist zunächst die Hausherrin, Frau Angelica Schwall-Düren, Europaministerin aus Nordrhein-Westfalen, die in ihrer Rede weit in die Geschichte zurückgreift. Nämlich bis ins Jahr 1963, als sie, nur 18 Jahre nach Kriegsende, an einem deutsch-französischem Austausch teilnehmen konnte und damals das erste Mal die Segnungen der Europäischen Einigung erlebt hatte. Heute sei der Austausch vor allem mit Polen und Ungarn wichtig, damit Europa wirklich zusammenwachsen könne.

Dann tritt Sara Neumann, eine der drei Präsidenten, ans Mikrophon. Ihr Vortrag ist völlig anders als der eben gehörte. Sie ist sehr gefühlvoll, poetisch. Ihre Worte treffen richtig ins Herz. Sie spricht nicht nur von tintenwarmen Worten, sie findet sie auch selbst. Sie erzeugt Bilder in unseren Köpfen mit Worten, die sie selbst nicht kennt. Es ist eine Abschiedsrede, denn Sara ist seit wohl nunmehr vier Jahren beim MEP und sie hat fast alle Stufen gemeistert, national wie international, die man bei einer MEP-Karriere erklimmen kann. Und sie hat wohl viele schöne Erfahrungen gesammelt und viele spannende Menschen kennengelernt. Man merkt es an der Art, wie sie spricht, nicht an den Worten, die ihr fehlen, um das unsagbare zu beschreiben. Nach der Rede heißt es für alle tief durchatmen und Luft holen für das, worauf wir alle so lange hingearbeitet haben. Die Debatte zur ersten Resolution.

von Christopher Lucht

  • 01.03.2011 – „I want to be a billionair“ – Eröffnung des MEP 2011 im Bundespresseamt
    5__1299002202.jpg„In der Politik bleibt niemals ein Platz leer.“ Diese Erkenntnis des stellvertretenden Regierungssprechers Steegmans, geäußert um kurz vor 10 Uhr zur Begrüßung des 12. MEP, hätte schon hellhörig machen können. Ein Stunde später ging die Meldung vom Rücktritt des Verteidigungsministers dann über die Ticker, und damit landete sie auch bei den Delegierten des diesjährigen Modell Europa Parlaments. Denn bei einigen MEP-Mitgliedern war offenbar eine leichte Verschiebung der Prioritäten festzustellen und mit moderner Kommunikationstechnik herumzuspielen schien in diesem Moment wichtiger zu sein, als den Präsentationen der 18 MEP Delegationen zu folgen. Dabei ging es doch auch bei den Vorstellungen der EU Länder um diese Affaire und es ist den Schüler aus Ingolstadt/Bayern hoch anzurechnen, dass sie dieses Thema als betroffene Landeskinder aufgegriffen habe. Mit der ironischen Bemerkung „In Bayern gibt es viele gute Universitäten und Bayreuth“ sie die Lacher der versammelten Schülerschaft aus ganz Deutschland auf ihrer Seite, hat doch besagten Verteidigungsminister gerade an dieser Uni seinen Doktortitel auf zweifelhafte Wege erschlichen.

Alle anderen Vorstellungen zeigten dann aber auch, dass sich die EU zum Glück nicht nur mit unseren Sorgen herumschlagen muss. Jedes Land hat seine eigenen inneren Probleme und Skandälchen. Davon konnte vor allem die italienische Delegation Zeugnis ablegen, wobei das richtige Wort im Zusammenhang mit Berlusconies Mädchengeschichten doch wohl eher Skandal lautet. Und dann gibt es natürlich noch die gemeinsamen europäischen Herausforderungen. An erster Stelle kamen hier natürlich der Euro, die Finanzkrise und die extreme Staatsverschuldung von den Delegationen der Länder Griechenland, Portugal, Spanien und Irland zur Sprache. Letztere griffen dann sogar zur Gitarre, um das wirklich passende Stück „I want to be a billionaire“ vorzutragen. Apropos Gitarre. Als Tipp für die kommenden MEP-Jahrgänge sei hier von mir mit auf den Weg gegeben: Musikalische Einlagen mit instrumentaler Begleitung kommen in der Regel immer gut beim Publikum an. So auch das Liedchen aus Schwerin, bei dem das Bundesland MV und ein dort häufig vorkommendes Haustier eine große Rolle spielen. Dass die Melodie dabei von Udo Jürgens abgekupfert wurde ist dann aber wieder ein anderes Thema….Musikalische Auftritte sollte man aber lieber bleiben lassen, wenn man weder singen kann, noch ein Instrument als Begleitung dabei hat, noch den Text beherrscht. Auch dazu gab es ein leider eindrucksvolles Beispiel aus einer Norddeutschen Weltstadt.

Und so könnte ich endlos fortfahren. Aber 18 Länderpräsentationen sind schon eine Menge Stoff, der erst einmal zu bewältigen ist, und das alles auch noch ohne die Möglichkeit für mich, irgendwo abzuschreiben. Denn jedes MEP ist wieder von neuem ein ganz eigenes mit eigenwilligen Charakteren, seltsamen Frisuren und wichtigen Erkenntnissen. Eine davon ist beispielsweise jene, dass es durchaus erlaubt ist, abzukupfern. Man muss nicht immer wieder das Rad von Neuem erfinden, Zitate von klugen Köpfen, solche gibt es in der Tat, beleben durchaus eine Rede und einen Vortrag. So war sich Regierungssprecher Steegmans nicht zu schade, auf das Werk des lateinischen Dichters Ovid zurückzugreifen, allerdings mit Fußnote. Und auch der Präsident des MEP Joscha Larson zitierte in seiner Eröffnungsrede eine ganze Geschichte von Astrid Lindgren – zum Glück mit Quellenangabe. Sein Fazit und sein Appell an die Delegierten des 12 MEP hat er in drei Leitsätzen zusammengefasst: Es sei – erstens – wichtig, dass man sich bei Meinungsverschiedenheiten politisch und argumentativ auseinandersetzt, denn es gäbe niemals nur die eine Wahrheit. Bei der Lösung von Problemen müsse – zweitens – die Bekämpfung von Ursachen im Vordergrund stehen. Und – drittens – dürfe dabei niemals Gewalt angewandt werden.

Nachdem nun die Causa Gutenberg beendet ist, können sich die 180 Europageordneten jetzt eine Woche lang ihrer Hauptaufgabe widmen, denn echte politische Herausforderungen, für die Lösungen dringend gesucht werden, gibt es in Europa genug, da braucht man sich nicht weiter von der deutschen Innenpolitik ablenken zu lassen. Und mit den richtungsweisenden Ideen, die der MEP Präsidenten seinen Delegierten mit auf den Weg in die Ausschüsse gegeben hat, wird es ihnen sicherlich auch nicht schwer fallen.

von Christopher Lucht